Stand der Dinge im Oktober 2021

Wir sind kein Opfer!

Im Oktober mit Angela Bach

CW: Sexualisierte Gewalt

Liebe Leser*innen!

Mein Name ist Angela Bach, ich bin 45 Jahre alt und Mutter von drei wundervollen Kindern. In meiner Vergangenheit war ich mehrfach von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen, die mir durch Partner, Ex-Partner und einen Arbeitskollegen widerfuhr.

Da mir in meiner Kindheit schon Gewalt vorgelebt wurde, war alles, was mir passierte, für mich irgendwie Normalität. Es war etwas, das passierte, über das man nicht sprach und das man auszuhalten und mit sich selbst auszumachen hatte. Vom Großteil der Gesellschaft wird einem ja auch vermittelt, dass man selbst schuld ist, wenn man sich z. B. in den falschen Mann verliebte oder zu schwach war, seine persönlichen Grenzen zu schützen. Deshalb dauerte es auch lange, bis ich begriff, dass das, was mir geschehen war, eben keine Normalität und auch nicht meine Schuld war.

Während meiner Traumatherapie in einer psychosomatischen Klinik traf ich viele Menschen mit einer ähnlichen Lebensgeschichte. Den meisten war es so ergangen wie mir. Dieses Thema schien immer noch ein großes Tabu zu sein, das ganz stark mit Angst, Scham, Vorurteilen, Schuldzuweisungen und Unverständnis besetzt war. Deshalb wuchs in mir der Wunsch, dies öffentlich zu thematisieren.

Seither habe ich meine Biographie Es fühlt sich immer noch wie sterben an veröffentlicht und auch bei einigen Kampagnen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt mitgemacht. Mit zehn weiteren betroffenen, wundervollen Frauen entstand das Buchprojekt unSICHTBAR wir zeigen Gesicht und mit 22 anderen Betroffenen waren wir bei Stern TV/Licht an, um unser/das Schweigen zu brechen. Es ist mehr als wichtig, dieses Thema zu enttabuisieren und Betroffene dabei mehr zu unterstützen. Nur so werden wir zukünftig weiteren Täter*innen ihre Macht nehmen.

Ich habe mir heute ein gewaltfreies Leben zurück erkämpft und schäme mich nicht mehr für das, was mir geschehen ist. Heute möchte ich das Erlebte nutzen, um anderen Betroffenen Mut zu machen, um aufzuklären und hoffentlich ein Umdenken in der Gesellschaft zu bewirken.