Im November 2022 mit Carina L.
Hey ihr Lieben, ich heiße Carina, bin 33 Jahre alt und wohne in Dortmund. An erster Stelle möchte ich mich bei KO e.V. bedanken. Danke, dass ihr uns Betroffenen eine Stimme verleiht. Danke für das Organisieren des Community-Wochenendes – jetzt fühle ich mich nicht mehr allein.
Durch die Verdrängung der sexualisierten Gewalt wurde ein Großteil meiner Kindheit verdrängt. Mir eröffneten sich viele Fragen: Hab ich mich damals jemandem anvertraut? Warum ich? Wieso hat mir niemand geholfen? Bin ich die einzige aus meiner Familie? Fragen, die teilweise bis heute unbeantwortet blieben, aber ich versuche im Hier und Jetzt zu leben und die Balance zwischen Leben und Aufarbeitung zu halten. Das Urvertrauen durch eine mir sehr nahe stehende Person zu verlieren, hat unbewusst viele Spuren hinterlassen. Negative Glaubenssätze und Schuldgefühle machten sich breit: Ich bin nutzlos. Ich bin nicht sicher. Ich bin allein. Selbst Schuld, wenn du es nicht schaffst, dich zu wehren. Die folgenden Jahre waren geprägt von durchzechten Nächten mit viel Alkohol und häufig wechselnden Sexualpartnern.
Als ich 25 Jahre alt war, hatte ich meinen ersten Flashback – laut meiner Therapeutin ausgelöst durch eine Handlung meines damaligen Partners. Damit fing die Reise in die Vergangenheit an. Doch so schmerzvoll es auch war, diese Dinge wieder ins Bewusstsein zu lassen, so sehr bin ich an der Arbeit gewachsen.
Je mehr ich mich mit meiner Biografie auseinandersetze und je mehr Menschen ich treffe, die auch transgenerationale Traumata auflösen und den Mut aufbringen ihre Themen anzuschauen, desto mehr wächst der Wunsch einen Raum zu kreieren, in dem Menschen zusammenfinden, sich austauschen, gegenseitig Halt geben und ihr Wissen über Heilungswege teilen können. Unsere mentale Gesundheit ist essentiell und Stigmata gehören aufgelöst.
Wir müssen uns nicht verstecken und dürfen uns der Welt zeigen. Wir sollten Vorbild sein für die Generationen, die noch kommen und alte Generationen aufklären, denen der Zugang zur Heilung verwehrt blieb. Ich hoffe, dass auch du deinen Mut, deine Stärke und dein Licht wiederfindest und deinen Weg in ein erfülltest Leben gehen kannst, denn wir sind keine Opfer und wir sind nicht allein!