Im Mai mit Anna Schulz
TW: Sexualisierte Gewalt
Hallo liebe Leser*innen! Ich heiße Anna Schulz, bin 31 Jahre alt, verheiratet und Mama von zwei wundervollen Kindern. Ich bin Sozialpädagogin und arbeite als Schulsozialarbeiterin an einem Gymnasium. Mit 23 Jahren wurde ich von meinem damaligen Arbeitskollegen vergewaltigt. Obwohl der Täter sich zunächst für die Tat bei mir entschuldigte, stritt er später alles ab.
Ich litt unter Schlafstörungen, Panikattacken, Suizidgedanken und verlor letztendlich meinen Job, da sich mein Arbeitgeber auf die Seite des Täters stellte. Vor dem Amtsgericht wurde der Täter verurteilt und vor dem Landgericht ein Jahr später „aus Mangel an Beweisen“ freigesprochen. Daraufhin zeigte er mich wegen Falschaussage an. Der Prozess war anstrengend und retraumatisierend. Da der Täter nicht verurteilt wurde, arbeitet er bis heute als Sozialpädagoge.
Die Vergewaltigung war so ein einschneidendes Erlebnis, dass sich mein Leben teilte in das Leben „davor“ und das Leben „danach“. Ich habe mir lange die Frage gestellt ob ich damit weiterleben kann und habe mich bewusst dafür entschieden. Mein erstes Therapieziel war damals, dass ich irgendwann aus dieser Tat so viel Kraft und Stärke ziehen kann, dass ich auch anderen damit helfen kann. Stück für Stück habe ich mir mein Leben zurückerkämpft. Und bis heute gibt es Tage, an denen ich am liebsten alles hinschmeißen würde. Doch diese Tage werden immer weniger und der Kampf für mich selbst lohnt sich jeden Tag.
Ich habe mit anderen tollen Frauen das Buch „unSICHTBAR – Wir zeigen Gesicht geschrieben“, schreibe unter regenbogen_gewitter auf Instagram, habe ein Filmprojekt bei sternTV mitgemacht und es folgen noch weitere Filmprojekte. Außerdem entwickle ich ein Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt in der Schule. Das einzig Sinnvolle, was ich mit dieser Tat machen kann, ist Aufklärungsarbeit leisten und über das Thema sprechen. Denn sexualisierte Gewalt passiert überall und jeden Tag. Ich glaube daran, dass wir etwas verändern und bewegen können, wenn wir aufstehen und darüber sprechen. Ich glaube daran, dass sich die Gesellschaft und das Rechtssystem verändern wird, wenn wir weiter laut sind.
Bist du auch von sexualisierter Gewalt betroffen? Vielleicht ist das hier dein Stein des Anstoßes. Vielleicht stehst du auch auf und sagst „#metoo“.
Foto: Lulugraphie