Stand der Dinge im Juni 2021

Aus dem KO-Alltag

#EGMR

Im Juni gab es vor allem ein wichtiges Ereignis für uns: Ninas Fall ging Anfang Juni vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Was viele nicht wissen, ist, dass es bisher noch kein einziges Urteil im Bereich Sexualstrafrecht aus Deutschland am EGMR gab.

Wenn man sich – wie wir – viel mit dem Thema beschäftigt und weiß, wie viel gerade in diesem Bereich in Deutschland schiefläuft, ist das geradezu schockierend. Wenn man allerdings weiß, wie viele Hürden eine betroffene Person überwinden muss, wie viel Geld, Kraft und Ausdauer man zur Verfügung haben muss, um sich durch all diese juristischen Ebenen zu kämpfen, dann wiederum ist es doch nicht mehr so verwunderlich, dass es noch kein einziger Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht geschafft hat. Umso trauriger ist es, dass sich die Presse überhaupt nicht dafür interessiert. Es gab nur eine einzige Anfrage. Die kam von Brisant, ARD, und es fanden Mitte Juni auch Dreharbeiten statt, aber leider wurde der Beitrag immer noch nicht ausgestrahlt.

Letztes Jahr, als Ninas Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde, hatte die dpa eine Pressemeldung dazu veröffentlicht und zahlreiche Zeitungen hatten darüber berichtet. Außerdem fanden Drehtermine mit SAT1 und RTL statt. Es ist immer wieder ernüchternd für uns, feststellen zu müssen, dass wir in unserer Öffentlichkeitsarbeit so sehr von der Willkür der Medien abhängig sind. Wir haben es absolut nicht in der Hand, ob ein Thema in der Berichterstattung Raum bekommt oder ob es gänzlich ignoriert wird.

Viele Menschen, die von der Beschwerde gehört hatten, denken, dass der EGMR die Möglichkeit hat, die Staatsanwaltschaft zu zwingen, einen Prozess gegen den mutmaßlichen Täter von Nina zu eröffnen. Dem ist leider nicht so. Weder das Bundesverfassungsgericht noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Möglichkeit, auf diese Weise in das Justizsystem einzugreifen. Sie können nur darüber urteilen, ob ein Vorgehen – in diesem Fall die Entscheidung der Staatsanwaltschaft München, Ninas Fall trotz der vorhandenen DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters einzustellen – richtig oder falsch war. Konsequenzen hat dies aber leider nicht. Dennoch hoffen wir natürlich im Hinblick auf unser Ziel, die strukturellen Probleme in unserem Justizsystem beim Umgang mit Opfern von sexualisierter Gewalt sichtbar zu machen, dass der EGMR zu einer anderen Entscheidung kommt als dies auf den juristischen Ebenen in Deutschland der Fall war. Wir werden berichten, wenn es so weit ist!