Stand der Dinge im November 2021

Auf ein Wort mit Gudrun Stifter

#Folgekosten

CW: Sexualisierte Gewalt

Dass medizinische Kosten nach einer Vergewaltigung dem Opfer zu Lasten fallen, ist eigentlich ein undenkbarer Zustand, doch wie ich am eigenen Leib erfahren musste, bestehende Realität, weswegen ich hiergegen mittels einer Petition vorgegangen bin.

Vergangenen Jahres wurde ich Opfer einer mehrmaligen, darunter besonders schweren Vergewaltigung, wobei ich nur mit sehr viel Glück überlebte. Obwohl schlussendlich eine „Rettung“ durch die Polizei stattfand, der Täter sofort inhaftiert wurde und die Tat somit seit Beginn objektiv nachweisbar war, stellte dies keine zusätzliche Voraussetzung dar, dass resultierende medizinische Kosten, wie die Labordiagnostik auf sexuell übertragbare Krankheiten (STD- Sexual Transmitted Diseases), welche unmittelbar im Anschluss der rechtsmedizinischen Untersuchung, bei einer Gynäkologin erfolgte, sowie die Notfallantikonzeption („Pille danach“), seitens der Krankenkasse übernommen werden.

In meinem Falle lehnte die kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) eine Kostenübernahme der Labordiagnostik trotz Vergewaltigung ab, da diese Maßnahmen als „präventiv“ und somit nicht „kurativ“ anzusehen sind, wenn kein Verdacht vorliegt. Ein Verdacht impliziert das Vorliegen von Symptomen, welche allerdings bei sexuell übertragbaren Krankheiten nicht zwangsläufig auftreten müssen oder gegebenenfalls weitaus verspätet eintreten können. Eine Vergewaltigung an sich stellte demnach trotz einer potenziellen Gefährdung keinen Grund dar. Es erfolgten insgesamt drei Untersuchungen in Höhe von 159,28 €, welche selbst zu finanzieren waren, weitere hohe Rechnungen bezogen auf die Labordiagnostik konnten abgewehrt werden.

Darüber hinaus wird die „Pille danach“ lediglich bis zum 22. Lebensjahr finanziert, auch wenn eine Vergewaltigung vorliegt, so dass auch hier die Kosten dem Opfer auferlegt werden. (hier: 35,07 €). Die einzige Ausnahme in Deutschland stellt das Saarland dar, welches im Falle einer Vergewaltigung die Kosten hierfür übernimmt.

Ein halbes Jahr kämpfte ich (prinzipiell) für eine Erstattung der Kosten, wobei der Weg bis über die Vorstände der KVB, der Bayerischen Landesärztekammer, die Krankenkasse, u.v.m. führte, sodass dieses Vorgehen schlussendlich mittels eines Überprüfungsantrages gegenüber der Krankenkasse, als Einzelfallentscheidung zum Erfolg führte. Wäre dieser abgelehnt worden, hätte dies die Voraussetzung für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht dargestellt.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte bestätigte diese Missstände in ihrer Analyse „Akutversorgung nach sexualisierter Gewalt – Zur Umsetzung von Art. 25 der Istanbul-Konvention in Deutschland“. Eigentlich sollte durch § 27 SGB V die Labordiagnostik (STD) nach Vergewaltigung mit inbegriffen sein, doch ist die Gewährung dessen unklar.

Damit andere Betroffene nach einer Vergewaltigung nicht zusätzlich finanziell bestraft werden, reichte ich eine Petition zur Kostenübernahme der Labordiagnostik (STD), sowie der Notfallantikonzeption beim Bayerischen Landtag ein. Am 12. Oktober wurde diese im Gesundheitsausschuss besprochen und einstimmig (fraktionsübergreifend) an die Bayerische Staatsregierung, sowie den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit der Bitte um eine schnellstmögliche Änderung übermittelt. Somit wird die Thematik nun bundesweit behandelt und findet darüber hinaus Erwähnung im aktuellen Koalitionsvertrag, sodass sehr gute Chancen bestehen.

Um auch zukünftig Gewaltopfern zu helfen, sowie ihre Wünsche und Bedürfnisse aus Betroffenenperspektive zu vertreten, gründe ich derzeit einen Verein (Carthanas V.i.G.).