Stand der Dinge im Juli 2021

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CW: Sexualisierte Gewalt

Zwei Fälle – viele Parallelen. Zwei Männer, die „Glück“ gehabt haben und ihre Freiheit geschenkt bekommen haben, nachdem jeder von ihnen sexualisierte Gewalt an mehreren Frauen verübt hat. Ein Fall aus München, der vorgestern erst bekannt wurde: Thomas Pekny, der 69-jährige Intendant der Komödie am Bayerischen Hof, wurde freigesprochen.

Ihm wurde vorgeworfen, er habe drei betrunkene Frauen nach Oktoberfestbesuchen (einer 2015, zwei 2016) mit in die Proberäume seines Theaters genommen und dort Fotos und Videos von ihnen gemacht, während sie schliefen, und sie außerdem sexuell missbraucht. Er spricht von Einvernehmlichkeit.

Im Artikel der Süddeutschen Zeitung wird Richter Nikolaus Lantz zitiert, laut dem zwar auf den Videos zu sehen sei, dass die Frauen schliefen. „Aber wir wissen nicht, was sich vorher abgespielt hat.“ Es sei nicht auszuschließen, dass sie mit „sexuellen Handlungen einverstanden waren“. So etwas als Betroffene zu lesen, lässt einen nicht nur fassungslos zurück, es macht auch richtig, richtig wütend. Es ist also tatsächlich naheliegend, dass eine junge Frau in einem zurechnungsfähigen Zustand zu einem ihr unbekannten Mann, der mehr als dreimal so alt ist wie sie, sagt: „Sollte ich nachher schlafen oder bewusstlos sein, darfst du mich gerne fotografieren und filmen und sexuelle Handlungen an mir vollziehen!“ Das erscheint dem Gericht wirklich logisch? Eine der Betroffenen, die damals 20-jährige Schülerin, bestreitet, dass es einvernehmlich war und ist bis heute in Therapie. Vor der Verhandlung haben sich außerdem noch zwei weitere Betroffene gemeldet.

Bei NTV ist Folgendes zu lesen: „Sie haben großes Glück gehabt“, betont der Richter beim Freispruch des Münchner Theaterintendanten Pekny. Der Missbrauch von Frauen konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Erleichterung bei der Komödie im Bayerischen Hof: Sie steht von Anfang an hinter ihrem Chef und will ihn nun auch in dieser Position behalten.

Nein, Pekny hat kein großes Glück gehabt. Das ist kein Glück – das ist unser Rechtssystem. In unserem Land werden (das Dunkelfeld mit eingerechnet) etwa eine einzige von 100 Vergewaltigungen verurteilt.

Der andere Fall kommt aus den USA, denn auch da sieht es nicht viel besser aus. Anfang des Monats wurde bekannt, dass der ehemalige Schauspieler Bill Cosby wieder frei ist – aufgrund einer Formalie konnte das Gericht das Urteil kippen. Laut Spiegel hätte Cosby aufgrund einer Vereinbarung mit einem früher mit dem Fall befassten Staatsanwalt in dieser Sache nicht angeklagt werden dürfen – so argumentierte das Gericht in einer rund 80 Seiten langen Stellungnahme. Der Entertainer verließ noch am Mittwoch das Gefängnis. Sein Fall darf nicht noch einmal aufgerollt werden. Mehr als 60 Frauen hatten ihm sexuelle Übergriffe unterschiedlicher Art vorgeworfen. 60 Frauen! Der Schmerz, den die Frauen fühlen mussten, als sie davon erfahren haben, dass Cosby wieder ein freier Mann ist, bricht uns das Herz.

Wir wollen in so einer Welt nicht leben und deshalb werden wir so lange weiterkämpfen und laut sein, bis sich etwas ändert!