Stand der Dinge im März 2022

Auf ein Wort mit Sandra Lüders

#KollektivConsentCalling

Ein Leitgedanke aus der zweiten Frauenbewegung lautet: Das Private ist politisch. Das Feld der Sexualität ist für viele Menschen aber eine sehr private Angelegenheit. Gerade deswegen ist dieser Bereich oftmals auch beherrscht von einem Deckmantel des Schweigens und der Scham. So geht es auch nicht darum, dass Menschen aufhören sollen, ihre Sexualität als etwas Privates und Intimes wahrzunehmen – es geht darum, zu verstehen, wie sehr unser Liebes- und Sexleben von den herrschenden Machtverhältnissen geprägt sind. Diese Awareness darüber hat uns dazu inspiriert in München Consent Calling, ein feministisches Sexshopkollektiv, zu gründen. Unser Ziel ist in kollektiven Zusammenschlüssen all diese von Patriarchat geprägten Verhältnisse transformativ zu verändern und gleichzeitig Sexpositivität, Vielfalt, Konsens und die eigene Lust mehr zu feiern.

Wir wollen neben dem Toyverkauf den Fokus auf politische Bildungs- und Aufklärungsarbeit legen, Literatur anbieten und sehen uns in unserer politischen Arbeit auch als Teil der feministischen Bewegung im aktivistischen Sinne. Wir haben dieses Kollektiv gegründet, weil ein Großteil der Menschen beispielsweise nicht weiß, wie der korrekte Aufbau einer Klitoris aussieht. Dies kann den Sex mit sich selbst sowie mit einer anderen Person jedoch enorm verbessern. Weil weibliche Sexualität aber seit jeher stigmatisiert und oft unsichtbar gemacht wird, findet darüber zu wenig Aufklärung statt. Genauso verhält es sich mit dem Jungfernhäutchen – was als verschlossenes Häutchen am Vaginaleingang, nach heutigem Forschungsstand, als Mythos einzustufen ist – doch wer spricht darüber?

Schwangerschaftsabbrüche werden immer noch im Strafgesetzbuch geregelt und der gebährfähige Körper damit staatlich reguliert. Frauen in homosexuellen Beziehungen bekommen öfters einen Orgasmus als Frauen in heterosexuellen Beziehungen. Blut spenden ist nicht für alle sexuellen Orientierungen gleich simpel. Unser Geschlecht entscheidet maßgeblich darüber, ob und in welchem Ausmaß wir Sexismus und Übergriffserfahrungen machen bzw. sexualisierte Gewalt erfahren. Wir leben immer noch in einer Welt in der trans sein, lesbisch sein oder non-binär sein lediglich als Abweichung einer heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Norm begriffen wird. Wir wollen mit unserem Projekt daher die real existierende Vielfalt sichtbar machen und für Gerechtigkeit kämpfen. Unser Ziel ist es, mit Consent Calling alle Facetten und Dimensionen, Vorlieben und Identitäten gleichberechtigt und auf Augenhöhe darzustellen und anzusprechen. Das bedeutet auch, sensibilisiert zu sein bezüglich der verschiedenen Diskrimierungsformen, sich bewusst zu werden, wessen Sexualität sichtbarer ist als die von anderen, und klassisch genormte Vorstellungen wie Körper auszusehen haben und wer welche (vergeschlechtliche) Rolle zu übernehmen hat, endlich zu dekonstruieren.

Anm. d. Red.: Das Kollektiv Consent Calling hat gerade eine Crowdfunding Kampagne am Laufen, um Startkapital für ihre Raumsuche zu schaffen. Bitte unterstützt die Kampagne über diesen Link und lasst ihnen auf Instagram ein Follow und ein paar Likes da!